Ob es Freude oder Ärger ist, wir sind so beschaffen, dass wir Emotionen ebenso auffangen wie auch verbreiten.
Mit vielen Herdentieren teilen wir die Neigung zu einer gemeinsamen Panikreaktion.
Aber über diese Fluchtreaktion hinaus teilen wir Menschen auch alle anderen Gefühle mit. Wer zu trauernden Menschen kommt, wird unmittelbar davon abgehalten einen fröhlichen Gruß auszusprechen, vor jeder bewussten Überlegung. Wenn die eigene Mannschaft als Außenseiter im eigenen Stadion plötzlich ganz groß aufspielt, verstärkt sich die gemeinsame Begeisterung von selbst.
In einem ethisch bedenklichen Versuch haben Datenexperten von Facebook emotionale Ansteckung ausgelöst, indem sie den Feed, den Nachrichtenstrom von mehr als 680.000 Nutzern manipuliert haben. Die einen „fütterten“ sie mit mehr negativen Meldungen und Posts, die anderen mit positiven. Daraufhin posteten oder teilten die Nutzer selbst eher negativ oder positiv getönte Beiträge. „You feel your feed“ nannte das die Wissenschaftsjournalistin Carlin Flora in einem lesenswerten Artikel.
Carlin Flora zitiert auch Studien, nach denen eine hoch motivierte Person die Motivation bei einer anderen erhöht, eine Aufgabe zu lösen wie umgekehrt eine weniger motivierte die Motivation verringert.
Gefühlsansteckung und Imitation hängen eng zusammen. Schon das Betrachten des Bildes eines zornigen Menschen führt zu einer Anspannung des corrugator supercilii, der eine Zornesfalte auf der Stirn entstehen lässt. Diese Mikroexpressionen sind kaum sichtbar, besitzen aber nachweisbare neuronale Korrelate.[1]
Wie sehr wir mit anderen durch die Neigung zur Imitation verbunden sind, zeigen Phänomene wie ansteckendes Gähnen, Synchronisierung beim gemeinsamen Gehen[2].
[1] Hatfield, Elaine; Rapson, Richard L.; Le, Yen-Chi l., Emotional Contagion and Empathy, in: Decety, Jean (Hg.), The social neuroscience of empathy (Social neuroscience series), Cambridge, Mass. 2011, S. 17–29.
[2] DeSilva, Jeremy, First Steps: How Upright Walking Made Us Human, New York 2021, S.203f.