1871 erschien Dar­wins Buch über die Abstam­mung des Men­schen. In sei­nem epo­cha­len Werk über die Ent­ste­hung der Arten von 1859 war er gegen Ende nur mit einem Satz auf den Men­schen ein­ge­gan­gen, mit einem Satz, der als „Under­state­ment des Jahr­hun­derts“ [1] bezeich­net wurde:

„Licht wird auch fal­len auf den Men­schen und sei­ne Geschichte.“

In der ers­ten deut­schen Über­set­zung wur­de er „vor­sorg­lich weg­ge­las­sen“ [1].

Es ist eine Iro­nie der Geschich­te, dass der For­scher, der wie kein ande­rer umsich­tig jeden Ein­wand gegen sei­ne küh­ne Theo­rie bedacht hat, so lan­ge alle Indi­zi­en gesam­melt hat bis ihm fast Alfred Rus­sel Wal­lace mit der Ver­öf­fent­li­chung der Grund­theo­rie zuvor­ge­kom­men wäre, der so (zu!) offen war für Erwei­te­run­gen sei­ner Theo­rie, dass die­ser Charles Dar­win bis heu­te aufs engs­te zusam­men­ge­dacht wird mit einem Ismus, dem Dar­wi­nis­mus. Dabei haben sich so vie­le vor­sich­ti­ge Hypo­the­sen von Dar­win als zutref­fend her­aus­ge­stellt, dass es einen immer wie­der erstau­nen muss.

Ich nen­ne nur drei, die sich bereits auf sein Buch über die Abstam­mung des Men­schen beziehen:

der Ursprung des Men­schen liegt in Afri­ka, sei­ne nächs­ten Ver­wand­ten sind Schim­pan­se und Goril­la und: alle Men­schen gehö­ren einer Art an. Damit wider­spricht er den ras­sis­ti­schen Theo­rien, die die leben­den Men­schen ver­schie­de­nen bio­lo­gi­schen Arten zuord­nen möch­ten. Dar­win ist dage­gen über­zeugt, dass alle Men­schen sehr eng mit­ein­an­der ver­wandt sind. So hat er, um die Uni­ver­sa­li­tät des mimi­schen Aus­drucks zu zei­gen, mit allen mög­li­chen For­schern oder auch Mis­sio­na­ren auf der gan­zen Welt bis nach Aus­tra­len kor­re­spon­diert und bereits ein Jahr nach „The Decent of Man“ ein Buch ver­öf­fent­licht, das noch im sel­ben Jahr 1872 in deut­scher Über­set­zung erschien: „Der Aus­druck der Gemüts­be­we­gun­gen bei dem Men­schen und den Tieren“.

Aber noch etwas ande­res ist wich­tig: Dar­win hat die Kul­tur nicht bio­lo­gis­tisch redu­ziert, ganz im Gegen­teil: Er hat die gro­ße Varia­bi­li­tät der ver­schie­de­nen Ver­hal­tens­wei­sen der Men­schen auf Kul­tur zurück­ge­führt. Wie wenig ihn mit Sozi­al­dar­wi­nis­mus und Ras­sis­mus ver­band, mag fol­gen­des Zitat illustrieren:

„Wenn der Mensch in der Kul­tur fort­schrei­tet und klei­ne Stäm­me zu grö­ße­ren Gemein­we­sen sich ver­ei­ni­gen, so führt die ein­fachs­te Über­le­gung jeden Ein­zel­nen schließ­lich zu der Über­zeu­gung, daß er sei­ne sozia­len Instink­te und Sym­pa­thien auf alle, also auch auf die ihm per­sön­lich unbe­kann­ten Glie­der des­sel­ben Vol­kes aus­zu­deh­nen habe. Wenn er ein­mal an die­sem Punk­te ange­kom­men ist, kann ihn nur noch eine künst­li­che Schran­ke hin­dern, sei­ne Sym­pa­thien auf die Men­schen aller Natio­nen und aller Ras­sen aus­zu­deh­nen. Wenn die­se Men­schen sich in ihrem Äuße­ren und ihren Gewohn­hei­ten bedeu­tend von ihm unter­schei­den, so dau­ert es, wie uns lei­der die Erfah­rung lehrt, lan­ge, bevor er sie als sei­ne Mit­men­schen betrach­ten lernt. Wohl­wol­len über die Schran­ken der Mensch­heit hin­aus, d.h. Mensch­lich­keit gegen die Tie­re, scheint eines der am spä­tes­ten erwor­be­nen sitt­li­chen Güter zu sein.“[2]

Aber auch dies ist für Dar­win klar: Mit­ge­fühl und Koope­ra­ti­ons­be­reit­schaft kenn­zeich­net alle Men­schen und sie haben eine bio­lo­gi­sche Grund­la­ge. Des­halb sieht Dar­win die Auf­ga­be, unse­re Fähig­keit zum Mit­ge­fühl kul­tu­rell und kogni­tiv auszuweiten.

Eine aktu­el­le resü­mie­ren­de Wür­di­gung fin­det sich in der Zeit­schrift Sci­ence vom 21. Mai 2021.

[1] Hein­rich Mei­er (Hg.): Die Her­aus­for­de­rung der Evo­lu­ti­ons­bio­lo­gie, Mün­chen 1988, S. 7.[2] Die Abstam­mung des Men­schen, Krö­ner Taschen­aus­ga­be Bd. 28, Stutt­gart 1982, S. 155f. Es han­delt sich um die Über­set­zung der 2. Auf­la­ge von The Decent of Man von 1874, vgl. S. 122–123.

Meer­ech­se

Die ein­zi­ge Ech­se, die sich unter Was­ser ernährt. Dar­win beschrieb sie (ein scheuß­lich aus­se­hen­des Geschöpf, von schmut­zig schwar­zer Fär­bung) und unter­such­te ihr Ver­hal­ten. Die Tie­re ken­nen Gefahr nur aus dem Was­ser, näm­lich Haie, und flüch­te­ten des­halb immer an Land, so oft Dar­win sie auch ins Meer warf.