Das Bild des blauen Planeten Erde, ein für alle Mal im Bewusstsein der Menschheit verankert – mit den weißen Wolkenwirbeln, der weißen Eisfläche an den Polen, den grau-braunen Kontinenten und der tiefen Bläue der großen Ozeane. Und dies alles vor der Schwärze des Weltalls, von der er sich abhebt. Welche Empfindungen tauchen mit auf? Ästhetisches Staunen? Eine Sehnsucht, wieder Boden unter die Füße zu bekommen, den Boden dieses Planeten? Ein Gefühl von Liebe zu diesem Gebilde? Oder der Sorge? Oder auch Erschrecken vor der unermesslichen Schwärze und Weite, in der er nur eine Insel bildet?
Wir leben alle auf einem Planeten, auf diesem Raumschiff Erde. Die Astronauten, die mit eigenen Augen den Planeten sahen, berichten interessante gefühlsgetönte Wahrnehmungen und Empfindungen. Der sowjetische Astronaut Jurij Artjuchin sagte: „Es ist egal, in welchem Meer oder Ozean du Verschmutzungen entdeckt hast oder über welchem Kontinent gerade ein Wirbelsturm entsteht. Da oben bist du der Hüter deiner ganzen Erde.“
Es ist ein seltsamer Zufall, dass in dem Augenblick, in dem wir Einfluss nehmen auf die ganze Atmosphäre des Planeten, wir auch einen Blick haben auf den Planeten als Ganzen; in dem Augenblick, in dem wir Pflanzen- und Tierarten auslöschen in einer Zahl wie es bislang nur ein kilometergroßer Meteorit vermochte, haben wir auch den Blick auf diesen Planten.
Jesus predigte eine ungeheure Erweiterung der Verantwortung, die wir gegenüber unseren Verwandten und Freunden und Nächsten natürlicherweise empfinden: „Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vater im Himmel; denn er lässt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Denn so ihr liebet, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner?“
Die große Frage ist: Können Menschen eine Verantwortung für Menschen in Bangladesch empfinden? Für kommende Generationen? Für diesen Planten?
Inzwischen eine fast müßige Frage, da wir nicht einmal mit Menschen, die wir in Booten durchnässt anlanden sehen oder auch schon mal als totes Kind am Strand, – da wir selbst diesen realen Personen gegenüber uns nur sehr schwer gesellschaftlich zu Hilfsbereitschaft motivieren können. Die einen nämlich werden spontan motiviert und die anderen gehen automatisch in eine Abwehr- oder sogar Angriffshaltung. Und dazwischen versuchen einige Intellektuelle – teilweise sehr künstlich anmutend – eine mittlere Position zu finden oder zu äußern.
Hilft hier der Blick auf diesen Planeten?
Nun, er macht klar, dass wir ein globales Problem haben. 60 Mio. sind hier auf dieser Erde unterwegs, verlassen ihre Heimat, und kaum jemand aus Übermut. Dieser Blick aus dem All lässt uns schlagartig unsere Unterscheidungen in Wir und Ihr, bzw. – Wir und Ihr wäre ja schon gut – in Wir und Die, fragwürdig erscheinen.
Und doch haben wir diese Unterscheidung in vielen Jahrtausenden gelernt, als sich unsere Vorfahren ausbreiteten und dabei immer wieder von anderen abgesetzt und abgegrenzt haben. Nicht dass wir immer feindlich gesinnt wären Fremden gegenüber. Es hat ja auch einen Reiz. Vielleicht bringen sie etwas mit, vielleicht ist Handel möglich. Aber doch immer diese Vorsicht, diese Vorbehalte.
Da ist Jesu Ethik „Liebet – nicht nur die hilfesuchenden Fremden – sondern eure Feinde“ schon eine Ethik für – wie Luther mal sagte, diese seltenen Vögel, die Christen, die Jesus ernst nehmen. Und auch unter Buddhisten gibt es ein paar oder hoffentlich viele, die nicht wie ihre Glaubensgenossen in Myanmar die muslimischen Rohinga bedrängen, sondern wie der Dalai Lama dem Anderen und Fremden freundlich begegnen.
„Us and them“, wir und die. Wir Menschen sind gut darin, uns zu solidarisieren, aber wie weit reicht es? Bis zu unseren Verwandten und Freunden, oder zu unserer Region, oder Nation oder Europa oder alle Menschen, oder noch darüber hinaus?
Wenn die Erde von Aliens angegriffen würde, ich bin überzeugt es wäre kein Problem eine weltweite Solidarität zu empfinden. Ob der uns global bedrohende Klimawandel dasselbe vermag?
Sultan al Saud aus Saudi-Arabien, der 1985 als erster Araber im Weltraum war als Teil einer internationalen Crew, sagte:
„Am ersten Tag, an dem wir die Erde umkreisten, deutete jeder auf sein Land. Am dritten oder vierten zeigte jeder noch auf seinen Kontinent. Danach sahen wir die Erde nur als ganzen Planeten.“
Dass wir das jedenfalls ab und zu so zu sehen vermögen, wünsche ich uns.