Ethischer Welthandel. Christian Felber ist international bekannt geworden durch sein Konzept der Gemeinwohlökonomie. Er fordert eine Rückbesinnung auf das Ziel der Ökonomie, das nicht in der Geldvermehrung liege, sondern im Gemeinwohl. Was liegt näher, als die Unternehmen dazu zu verpflichten, eine Gemeinwohlbilanz zu erstellen? Dies dient zum einen der Transparenz und der Informiertheit des Verbrauchers, zum anderen bietet es die Möglichkeit, Unternehmen in dem Maße von Steuern zu entlasten, in dem sie dem Gemeinwohl dienen und in dem Maße steuerlich zu belasten, in dem diese ihrerseits die Gemeingüter belasten und beanspruchen.
Gegen dieses Konzept musste zwangsläufig eingewandt werden, dass seine nationale Umsetzung angesichts der Globalisierung illusorisch erscheinen muss. Deshalb konnte man gespannt sein, wie Felber sein ethisch anspruchsvolles Konzept nun in seinem Buch „Ethischer Welthandel“ auf die globale Wirtschaft ausdehnen würde. Dies gelingt verblüffend überzeugend.
Zwar wird der Welthandel bisher nicht gerade nach ethischen Prinzipien organisiert, aber es gibt reichlich völkerrechtlich verankerte Regelungen, die den Welthandel fundieren könnten: „Menschenrechte, ILO–Arbeitsnormen, globaler Klimaschutz, Schutz der kulturellen und biologischen Vielfalt, Schutz der indigenen Bevölkerungen, Abkommen gegen Bestechung und Korruption und andere. … Anstatt eben diese Ziele durch Freihandelsabkommen systematisch zu gefährden und mit ihnen in Konflikt zu bringen, könnte das Handelssystem … als Mittel gestaltet werden, um diese Ziele zu fördern und effektiver zu erreichen als heute.“ Auf diesem Weg waren die Staaten bereits unterwegs, als sie 1964 eine Organisation „für die Regelung des globalen Handels innerhalb der Vereinten Nationen“ gründeten: die UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development).
Felber konstatiert jedoch, dass die UNCTAD von den reichen Ländern „aufs politische Abstellgleis“ gestellt wurde, um in der WTO seit 1995 den Freihandel frei von jeder Rücksicht auf Menschenrechte, Ökologie oder kulturelle Vielfalt befördern zu können. Zwar herrscht auch in der WTO inzwischen Stillstand „wenn auch auf viel zu hohem und schädlichem Niveau eines festgezurrten Zwangshandels“. Aber statt in „den Hafen der UNO zurückzukehren …, setzten die Industrieländer auf bilaterale und plurilaterale (regionale) Handels- und Investitionsschutzabkommen.“
Felbers Buch lässt damit auch als fundierte Kritik an TTIP und Co lesen. In 12 Abschnitten legt er souverän und mitunter auch süffisant Mängel, Kurzschlüsse und Fragwürdigkeiten des Freihandelskonzepts dar. So führt er vor, wie die englische und US-amerikanische Wirtschaft stark wurden in Zeiten, in denen sie Protektionismus praktizierten. Dabei betont Felber, dass es eben nicht nur Protektionismus und Freihandel gibt, sondern höhere oder niedrigere Zölle ein Instrument der Wirtschaftssteuerung seien. Das „Zollbashing“ sei „geschichtsvergessen“: „Zölle haben sämtliche Industrieländer durch die letzten Jahrhunderte in Wellen treu begleitet“. Um einen Wettbewerb nach unten bei den Arbeitsbedingungen zu verhindern, könnten etwa je Kernarbeitsnorm der ILO 3% Zollaufschlag erhoben werden (bei 8 Kernarbeitsnormen also bis zu 24%). So könnten Zölle in den Dienst des ethischen Welthandels gestellt werden.
„Ohne ethische Schutzzölle“, argumentiert Felber, können sich internationale Konzerne „den Standort mit den niedrigsten Steuer‑, Umwelt‑, Sozial‑, Gesundheits- und Menschenrechtsstandards kostenlos aussuchen.“ Wer, außer – vielleicht – den Anteilseignern, will das?
Sicher ist völlig offen, was von Felbers Vorschlägen Eingang in internationale Vereinbarungen oder staatliche Beschlüsse findet, wobei bemerkenswert ist, dass es im Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit afrikanischen Ländern sehr wohl eine Ausnahmeklausel im Fall der Verletzung von Menschenrechten gibt. Es wäre „rechtens und kohärent“, wenn sich eine entsprechende Klausel auch im Abkommen mit den USA fände.
Dass ethische Betrachtungen kein Luxus sind, sondern Fairness und Moral an der Wurzel des menschlichen Zusammenlebens und ‑arbeitens, des menschlichen Handelns und eben auch Handels zu stehen haben, wird durch Felbers Buch wieder deutlich.
Nach der Lektüre dürfte sich der Leser etwas befreit fühlen von den „Sachzwängen der Wirtschaft“ und sich klargemacht haben, dass es vernünftigerweise Sinn des Wirtschaftens ist, dem Menschen zu dienen und nicht umgekehrt.
Christian Felber: Ethischer Welthandel. Alternativen zu TTIP, WTO & Co, Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, Wien 2017.