Kra­ni­che fas­zi­nie­ren die Men­schen seit jeher: ihre Balz­tän­ze, ihr Zug­ver­hal­ten, ihr Gefie­der, ihre ver­schie­den­ar­ti­gen Rufe. Das hat sie aller­dings nicht davor geschützt, gejagt und ver­drängt zu werden.

Verbreitung

Unser Eura­si­scher Kra­nich, auch Grau­er Kra­nich (Grus grus) genannt, war Mit­te der 1970er Jah­re nur noch mit etwa 410 Paa­ren in Deutsch­land ver­tre­ten. Seit­dem hat sich der Bestand rasant erholt. Für 2008 wur­den bereits 6900 Paa­re gezählt bzw. geschätzt.

Es sind aller­dings vor allem zwei Bun­des­län­der, die dazu bei­tra­gen, näm­lich Meck­len­burg-Vor­pom­mern und Bran­den­burg (als nächs­tes folgt Nie­der­sach­sen). Meck­len­burg-Vor­pom­mern ist auch das ein­zi­ge Bun­des­land, das bereits das Ziel erfüllt, 30% der Land­flä­che unter Schutz zu stel­len. Am 12. Sep­tem­ber 1990 gelang es Natur­schüt­zern und dem dama­li­gen (seit März 1990) stell­ver­tre­ten­den Umwelt­mi­nis­ter der DDR Micha­el Suc­cow, „meh­re­re Groß­schutz­ge­bie­te (Natio­nal­parks, Bio­sphä­ren­re­ser­va­te) aus­zu­wei­sen, dar­un­ter auch 320 km² inmit­ten der Meck­len­bur­gi­schen Seen­plat­te.“ (Wiki­pe­dia) Das war eine der letz­ten Amts­hand­lun­gen der DDR-Regie­rung und ein Glücks­fall für den Natur­schutz und die Kraniche.

Die Erho­lung des Bestan­des ging ein­her mit dem Schutz von Moo­ren, der Wie­der­vernäs­sung von Feucht­ge­bie­ten und der Über­wa­chung der letz­ten Brut­ge­bie­te, meist unter­stützt durch den NABU. Kra­ni­che ras­ten auch auf dem Durch­zug in Deutsch­land, wobei die hie­si­gen Kra­ni­che teils nur noch bis Frank­reich zie­hen oder sogar hier bleiben.

Den Kra­ni­chen kommt zugu­te, dass sie Gene­ra­lis­ten sind: sie ernäh­ren sich von klei­nen Tie­ren eben­so wie von Getrei­de aller Art und Pflan­zen­wur­zeln, ‑spros­sen und Halmen.

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Kra­ni­che im Anflug zur Nacht­ru­he im seich­ten Gewässer

Fluchtdistanz

Man kann sie trotz ihrer Nähe zu Sied­lun­gen nicht als Kul­tur­fol­ger bezeich­nen. Ihre Flucht­di­stanz ist grö­ßer als von Stör­chen und beträgt etwa 150–200 m. Typi­scher­wei­se haben in Grup­pen eini­ge Kra­ni­che die Funk­ti­on von Wäch­tern. Wäh­rend die Jung­vö­gel die Zeit für Nah­rungs­auf­nah­me nut­zen kön­nen und müs­sen, damit sie dem ers­ten Zug in den Süden gewach­sen sind, wachen die erfah­re­nen Eltern. Auf Stö­run­gen an ihren Über­nach­tungs­plät­zen reagie­ren sie sehr emp­find­lich und ver­su­chen ggf. auszuweichen.

Über­rascht hat mich, dass Kra­ni­che einen Fuchs (oder auch Kühe) auf weni­ge Meter her­an­kom­men las­sen und die­ser sei­ner­seits kei­nen Angriffs­ver­such unter­nimmt. Dage­gen gehö­ren die Kra­ni­che zu den Tie­ren, die – nach einer Theo­rie, die u.a. Jared Dia­mond ver­tritt – zusam­men mit den sich ver­bes­sern­den Jagd­küns­ten unse­rer Vor­fah­ren koevo­lu­tiv und gene­tisch ver­an­kert einen grö­ße­ren Sicher­heits­ab­stand von den Zwei­bei­nern „ver­in­ner­licht“ haben.

Hier wei­ter lesen zum The­ma Zahm­heit und Fluchtdistanz

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Fuchs und Kraniche

Literatur

Richard Powers beginnt sei­nen groß­ar­ti­gen Roman Das Echo der Erin­ne­rung mit der Schil­de­rung, wie Kanad­akra­ni­che in der Däm­me­rung lan­den. Eine hal­be Mil­li­on Kra­ni­che sind auf dem Weg aus dem Süden und machen in Nebras­ka Zwi­schen­sta­ti­on auf dem Flug „nach Sas­kat­che­wan, Alas­ka oder noch dar­über hinaus“.

Sie schwe­ben in locke­ren Ket­ten vom Him­mel. Zu Dut­zen­den stre­ben sie aus allen Rich­tun­gen her­bei und sin­ken mit der Dun­kel­heit her­ab. Hun­der­te von Grus cana­den­sis ras­ten an dem noch halb gefro­re­nen Fluß. Sie sam­meln sich auf den Inseln in seich­tem Was­ser, wo sie gra­sen und unter Flü­gel­schla­gen ihre Trom­pe­ten­ru­fe ertö­nen las­sen: die Vor­hut einer gewal­ti­gen Wan­de­rung. Von Minu­te zu Minu­te wer­den es mehr, und die Luft färbt sich rot von ihren Schreien.

Ein Hals reckt sich lang, die Bei­ne bau­meln her­ab. Flü­gel wöl­ben sich nach vorn, ihre Spann­wei­te so groß wie ein Mensch. Die Schwung­fe­dern wie Fin­ger gespreizt, legt er sich schräg in den Wind. Der blut­ro­te Kopf macht eine Ver­beu­gung, und die Flü­gel berüh­ren sich – ein lang gewan­de­ter Pries­ter spen­det sei­nen Segen. Die Schwanz­fe­dern rich­ten sich auf, und der Leib sackt nach unten, dem plötz­lich näher kom­men­den Boden ent­ge­gen. Bei­ne stram­peln; mit den nach hin­ten abge­win­kel­ten Knien sehen sie aus wie das gebro­che­ne Fahr­ge­stell eines Flug­zeugs. (Richard Powers: Das Echo der Erin­ne­rung, S. Fischer Ver­lag, Frank­furt am Main 2006, S. 9)