Kritik der zynischen Vernunft
Mit diesem gut 950-seitigen Werk wurde Peter Sloterdijks bekannt. Nach seinem zweijährigen Aufenthalt im Aschram von Bhagwan Shree Rajneesh in Indien, 1978–1980, veröffentlicht Sloterdijk dieses Werk, dem man angesichts des Titels, der natürlich an Kants Kritik der reinen Vernunft erinnert, gleich mal Hybris attestieren könnte.
Aber worum geht es? Es geht um eine positive Aufnahme des Kynismus und eine prägnante Kritik am modernen Zynismus in seinen diversen Gestalten.
Diogenes von Sinope, der Begründer des Kynismus, ist uns als der Mann in der Tonne bekannt, der auf die Frage Alexanders des Großen, womit er ihm dienen könne, sagte: „Geh mir nur ein wenig aus der Sonne.“ Woraufhin Alexander ausgerufen haben soll: Wahrlich, wäre ich nicht Alexander, ich möchte wohl Diogenes sein.“ Für Sloterdijk ist Diogenes von Sinope
der illuminierte Chlochard, der selbstgenügsam-ironische Naturpathetiker, der mit seiner »Enthaltsamkeit« ein Modell jener alteuropäischen Unterlassungstugenden gestiftet hatte, von denen sich die Neuzeit mit ihrem aktivistischen Selbstbehauptungsethos so radikal wie möglich abkehrte. …Es tritt hier eine rätselhaft-orientalische, ja asiatische Komponente im Weltgefühl dieses Mannes hervor, den es vom fernen Winkel des Schwarzen Meeres in die westliche Metropolis Athen verschlagen hatte. Es deutet an: … wer lassen kann, den schleifen keine verselbständigten Projekte hinter sich her; wer die Enthaltungspraxis übt, gerät nicht in die Selbstfortsetzungsautomatik entfesselter Aktivismen.
Diogenes „lehrt Einschränkungen der Ansprüche, Wendigkeit, Geistesgegenwart, Hinhorchen auf das Angebot des Augenblicks.“ (246f) Das ist für Sloterdijk Kynismus, dem er offenkundig zuneigt.
Den Begriff Zynismus verwendet Sloterdijk dagegen für eine Haltung der Herrschenden, die sich jedenfalls in vielen Bereichen aufspüren lässt. Er geht dem Phänomen nach im Bereich
- des Militärs
- der staatlichen Macht
- der Sexualität
- der Medizin
- den Religionen
- und im Wissensbereich
Eine Unterform des Zynismus sieht er als starke Versuchung im Bereich des Journalismus. Er geht der Frage nach,
„warum Zynismus geradezu mit Naturnotwendigkeit zu den Berufsrisiken und den Berufsdeformationen derer gehört, deren Arbeit es ist, Bilder und Informationen über die »Wirklichkeit« zu produzieren.“ |
„Ein gut Teil unserer Presse bedient nichts anderes als den Hunger nach Schlimmem, welches das moralische Vitamin unserer Gesellschaft ist.“
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