Als Charles Darwin auf seiner Fahrt mit der Beagle im September 1835 auch die Galapagosinseln erkundete, war er – wie wohl alle Menschen seitdem – fasziniert von der „außerordentlichen Zahmheit“ der Tiere dort: Finken, Zaunkönige, Tauben, Bussarde etc..
„Einmal, als ich auf der Erde lag, ließ sich eine Spottdrossel auf dem Rand eines … Kruges nieder, den ich in der Hand hielt, und trank in aller Seelenruhe Wasser daraus; sie ließ es zu, dass ich das Gefäß vom Boden aufnahm, während sie darauf saß“[1].
Schon aus dem Jahr 1684 gab es Berichte über die Zahmheit der Turteltauben auf den Inseln und Darwin, der diese Berichte kennt, kann sich nur wundern:
„Es ist verblüffend, dass sie nicht wilder geworden sind, sind diese Inseln doch während der letzten einhundertfünfzig Jahre häufig von Freibeutern und Walfängern besucht worden, und den Matrosen bereitete es stets grausames Vergnügen, bei ihren Wanderungen auf der Suche nach Schildkröten diese kleinen Vögel zu erschlagen.“
Darwins Schlussfolgerung:
„Es hat den Anschein, als hätten die Vögel auf dem Archipel noch gar nicht gelernt, dass der Mensch ein gefährlicheres Tier als [die] Schildkröte … ist, und beachteten ihn gar nicht, so wie in England scheue Vögel wie die Elster die Kühe und Pferde auf unseren Feldern unbeachtet lassen.“
Darwin stellt aufschlussreiche Vergleiche mit der Scheu- oder Zahmheit der Vögel auf Bourbon, den Falklandinseln und auf Feuerland an. Auf Feuerland, das immer wieder besiedelt war, fand sich die extreme Zahmheit der Tiere nicht.
„Anhand dieser verschiedenen Fakten können wir, glaube ich, wohl schließen, dass erstens die Wildheit von Vögeln hinsichtlich des Menschen ein besonderer, gegen ihn gerichteter Instinkt ist und nicht von einem allgemeinen Maß an Vorsicht abhängt…; zweitens, dass sie von einzelnen Vögeln nicht in kurzer Zeit erworben wird, selbst wenn sie stark verfolgt werden, sondern dass sie im Laufe nachfolgender Generationen erblich wird.“
Und auch sein letzter Satz zu diesem Thema ist von großer Hellsicht geprägt:
„Aus all dem können wir folgern, welches Unheil die Einführung eines neuen Raubtieres in einem Land auslösen muss, bevor die Instinkte der heimischen Bewohner sich an das Geschick oder die Kraft des Fremden angepasst haben.“
Die außerordentliche Zahmheit von Tieren, die noch nicht über viele Jahrhunderte von Menschen gejagt wurden, findet sich auch in der Antarktis: Der Kaiserpinguin ist sehr neugierig. Der britische Polarforscher Peter Fretwell berichtet:
Wenn ich mich dort aufs Eis setze, kommen sie gleich näher, um zu schauen, was das für ein Wesen ist. Die erwachsenen Tiere sind groß und majestätisch. Sie verbringen viel Zeit auf dem Eis, ich glaube, da ist so ein Menschenbesuch für sie eine willkommene Abwechslung zur sonstigen Langeweile. Scheu sind sie gar nicht, weil sie keine Fressfeinde an Land haben. Nur manche Seevögel können den Küken gefährlich werden. Die Küken sind supersüß, und solange man sie nicht wegnimmt, tun die Eltern einem nichts. Es stinkt natürlich schon auch nach ihrem Kot, allerdings nicht so stark, weil der meistens gefroren ist. (Interview von Hans Gasser, Süddeutsche Zeitung vom 15. November 2024)
Anmerkungen
[1] Charles Darwin: Die Fahrt der Beagle, marebuchverlag Hamburg 2006 S. 524f. Die folgenden Zitate stammen von den Seiten 525–527. (Übersetzung der Ausgabe von 1845) Die englische Ausgabe ist hier online abrufbar.