The Fourth Indus­tri­al Revo­lu­ti­on. Klaus Schwab ist wie kaum ein ande­rer in der Lage, Aus­kunft über den Zustand der Welt und sich abzeich­nen­de Trends zu geben. Der Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler grün­de­te 1971 eine gemein­nüt­zi­ge Stif­tung, aus der 1987 das Welt­wirt­schafts­fo­rum her­vor­ging, das durch sei­ne Tref­fen in Davos der Öffent­lich­keit bekannt ist.

Mit „The Fourth Indus­tri­al Revo­lu­ti­on“ hat er ein Buch ver­öf­fent­licht, in dem er die Bri­sanz der gegen­wär­ti­gen glo­ba­len Ent­wick­lung, die sich unter dem Leit­mo­tiv der Digi­ta­li­sie­rung voll­zieht, vor Augen füh­ren will.

Wer, gestützt auf die am Welt­wirt­schafts­fo­rum häu­fig geüb­te Kri­tik, neo­li­be­ra­len Fort­schritts­op­ti­mis­mus erwar­tet, wird eines Bes­se­ren belehrt. Schwab bezeich­net sich zwar als prag­ma­ti­schen Opti­mis­ten, aber er klam­mert die bestehen­den und sich abzeich­nen­den Pro­ble­me eben­so wenig aus wie die Ver­ant­wor­tung der Poli­tik bei der Gestal­tung der rasch sich voll­zie­hen­den Entwicklungen.

Schwab hält sich nicht lan­ge mit der Beschrei­bung der ers­ten drei indus­tri­el­len Revo­lu­tio­nen auf (Stich­wor­te: Dampfmaschine/Eisenbahn – Elektrizität/Fließband – Computer/Internet).

Wäh­rend ande­re Ana­lys­ten die aktu­el­le Ent­wick­lung als Wei­ter­füh­rung der drit­ten begrei­fen, sieht Schwab eine vier­te indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on im Auf­stieg begrif­fen. Die­se sei gekenn­zeich­net durch die Ver­schmel­zung der neu­en Tech­no­lo­gien und Ent­de­ckun­gen ganz ver­schie­de­ner Dis­zi­pli­nen. Fort­ge­schrit­te­ne Robo­tik, neue Mate­ria­li­en, der 3D-Dru­cker, Bio- und Gen­tech­no­lo­gie, alle­samt ver­bun­den durch die digi­ta­len Anwen­dun­gen, füh­ren zu im Ein­zel­nen noch nicht vor­aus­sag­ba­re Inno­va­tio­nen. Die Gen­se­quen­zie­rung ist nur durch die schnel­le­re Daten­ver­ar­bei­tung mög­lich gewor­den. Der 3D-Druck wird inzwi­schen sogar zum Druck von Zell­ge­we­be ver­wen­det. Nano­ma­te­ria­li­en wie etwa Gra­phene, die 200 mal sta­bi­ler als Stahl sind, eröff­nen res­sour­cen­scho­nen­de Anwen­dun­gen neu­er Art.

Schwab erwar­tet schnel­le Fort­schrit­te auch bei den erneu­er­ba­ren Ener­gien und Spei­cher­tech­ni­ken. Er hofft, dass damit dem real dro­hen­den Kli­ma­wan­del begeg­net wer­den kann.

In einem Anhang fin­den sich pro­gnos­ti­zier­te Trends der digi­ta­len Revo­lu­ti­on, die das Welt­wirt­schafts­fo­rum unter Füh­rungs­kräf­ten erho­ben hat. Eine deut­li­che Mehr­heit erwar­tet bis zum Jahr 2025 z.B.: implan­tier­te „Han­dys“, Inter­net­an­schluss von 10% der Bril­len, 10% füh­rer­lo­se PKW in den USA und eine trans­plan­tier­ba­re Leber aus dem 3D-Drucker.

Wie ist es aber zu erklä­ren, dass es trotz die­ser behaup­te­ten Revo­lu­ti­on bis­lang nicht zu einem deut­li­chen Wirt­schafts­wachs­tum kommt? Nach Schwab wird der begon­ne­ne Wan­del teil­wei­se ver­deckt dadurch, dass der Qua­li­täts­ge­winn für den Ver­brau­cher sich nicht in den Sta­tis­ti­ken wider­spie­gelt. Es kann mehr Musik kon­su­miert wer­den, es kann mehr kom­mu­ni­ziert wer­den, ohne dass dafür mehr Geld aus­ge­ge­ben wer­den muss.

Künf­tig wer­den Unter­neh­men weni­ger Waren als Dienst­leis­tun­gen anbie­ten. Man muss ein Buch, eine CD, ein Auto, eine Woh­nung nicht mehr besit­zen, um sie nut­zen zu kön­nen. Online-Platt­for­men ver­mit­teln die­se Dienste.

Schwab sieht eines der größ­ten Pro­ble­me in zuneh­men­der Arbeits­lo­sig­keit. 47% aller Arbeits­plät­ze in den USA könn­ten von zuneh­men­der Auto­ma­ti­sie­rung betrof­fen sein. Mit den Fort­schrit­ten der künst­li­chen Intel­li­genz wer­den selbst Rechts­an­wäl­te und Ärz­te von wich­ti­ge Tätig­kei­ten „ent­las­tet“ werden.

Es ist zu erwar­ten, dass die Nutz­nie­ßer der vier­ten indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on Erfin­der, Inves­to­ren und Share­hol­der sein wer­den, wäh­rend immer mehr Men­schen pre­kä­ren Arbeits­be­din­gun­gen unter­lie­gen. Zuneh­mend wer­den Men­schen in der „human cloud“ ihre Diens­te preis­güns­tig anbie­ten, sei es das Schrei­ben eines Com­pu­ter­pro­gram­mes oder eine Taxi­fahrt mit dem pri­va­ten PKW. Im güns­tigs­ten Fal­le wird die ange­streb­te Work-life balan­ce zu einer har­mo­ni­schen Work-life-Inte­gra­ti­on. Es droht aber auch Aus­beu­tung und ein Wett­be­werb nach unten.

Wir wer­den, so Schwab, die Risi­ken nicht meis­tern und die Früch­te der vier­ten Revo­lu­ti­on nicht ern­ten kön­nen, wenn wir nicht einen Sinn für ein geteil­tes Ziel und das gemein­sa­me Gute ent­wi­ckeln. Schwab schließt mit einem enga­gier­ten und über­zeu­gen­den Plä­doy­er für einen inten­si­ven Dis­kurs dar­über, in wel­cher Welt wir gemein­sam leben wol­len: „Alle die­se neu­en Tech­no­lo­gien sind zuerst und vor allem Werk­zeu­ge, gemacht von Men­schen für Menschen.“