Mei­ne Lis­te auf Twit­ter zum The­ma Nachhaltigkeit

Zum Begriff

Der Begriff Nach­hal­tig­keit geht auf Hans Carl von Car­lo­witz zurück:

»Wird der­halb­en die grös­te Kunst / Wis­sen­schafft / Fleiß und Ein­rich­tung hie­si­ger Lan­de dar­in­nen beru­hen / wie eine sotha­ne Con­ser­va­ti­on und Anbau des Holt­zes anzu­stel­len / daß es eine con­ti­nuir­li­che bestän­di­ge und nach­hal­ten­de Nut­zung gebe / weiln es eine unent­ber­li­che Sache ist / ohne wel­che das Land in sei­nem Esse nicht blei­ben mag.« Syl­vicul­tu­ra oeco­no­mica, 1713, Buch I, Kap. 7 Par. 20 (zit. nach Mün­chen 2013, hg.v. Joa­chim Ham­ber­ger, S.216)

Car­lo­witz stellt her­aus, dass bei der Bewirt­schaf­tung des Wal­des in ganz ande­rer Wei­se eine Zukunfts­per­spek­ti­ve von Nöten ist als bei der von Wie­sen und Fel­dern. Sonst kann das Land künf­tig nicht in sei­nem Sein (Esse) blei­ben. Inso­fern ist es ein gelun­ge­ner Griff, von „Zukunfts­fä­hig­keit“ zu spre­chen. So tat es die gro­ße Stu­die des Wup­per­tal Insti­tuts für Kli­ma, Umwelt, Ener­gie von 1996, in Auf­trag gege­ben vom Bund für Umwelt und Natur­schutz Deutsch­land (BUND) und den evan­ge­li­schen Ent­wick­lungs­or­ga­ni­sa­tio­nen Brot für die Welt und Evan­ge­li­scher Ent­wick­lungs­dienst (EED): Zukunfts­fä­hi­ges Deutsch­land.

Nach-halt-ig-keit, das sind nicht gera­de attrak­ti­ve Wort­be­stand­tei­le. Zukunfts­fä­hig wirkt fri­scher. Wodurch aller­dings ist eine Wirt­schafts­wei­se zukunfts­fä­hig? Man ist ver­sucht zu sagen: durch Nach­hal­tig­keit. Ulrich Gro­ber, der eine auf­schluss­rei­che Kul­tur­ge­schich­te des Begrif­fes „Nach­hal­tig­keit“ geschrie­ben hat (Mün­chen 2013), meint dementsprechend:

„Mei­ne Pro­gno­se: Nach­hal­tig­keit wird der Haupt­be­griff blei­ben. … Er hat die nöti­ge Gra­vi­tät und die nöti­ge Elas­ti­zi­tät“ (S.286)

Wird es von der Attrak­ti­vi­tät von Wor­ten abhän­gen, ob wir ernst neh­men, was sie meinen?

Effizienz – Konsistenz – Suffizienz

Drei Bücher zum The­ma Nach­hal­tig­keit kön­nen die unter­schied­li­chen Akzen­te der Nach­hal­tig­keits­de­bat­te und ‑stra­te­gien illustrieren:

Ralf Fücks illus­triert auf mehr als 300 Sei­ten das Poten­ti­al intel­li­gen­ten grü­nen Wachs­tums, das durch Stei­ge­rung der Effi­zi­enz bei weni­ger Res­sour­cen­ver­brauch mehr Lebens­qua­li­tät errei­chen kön­ne: Intel­li­gent wach­sen.

Der Che­mi­ker Micha­el Braun­gart will zusam­men mit dem Archi­tek­ten Wil­liam McDo­nough dem Teu­fels­kreis der Umwelt­be­las­tung ent­ge­hen, indem er Chan­cen eines „Upcy­cling“ auf­zeigt: Roh­stof­fe wer­den nicht nur nicht weg­ge­wor­fen, son­dern erfah­ren beim Recy­cling auch kein Down­cy­cling mehr; sie behal­ten ihren Wert oder gewin­nen sogar noch dazu. Die Autoren scheu­en sich nicht ihrem Buch den Titel Intel­li­gen­te Ver­schwen­dung zu geben.

Gegen­über die­sen opti­mis­ti­schen Sze­na­ri­en beto­nen Uwe Schnei­de­wind und Ange­li­ka Zahrnt die Not­wen­dig­keit, sich auf das, was genug und aus­rei­chend ist, zu besin­nen und sich dar­über zu ver­stän­di­gen: Damit gutes Leben ein­fa­cher wird. Eine Suf­fi­zi­enz­po­li­tik muss den Weg dazu ebnen.

Somit ste­hen die­se Autoren für die drei zen­tra­len Aspek­te jeder Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie: Effi­zi­enz (Fücks), Kon­sis­tenz (ins­be­son­de­re des Roh­stoff­kreis­lau­fes, Braun­gart) und Suf­fi­zi­enz (Schnei­de­wind und Zahrnt). Damit ist schon gesagt, dass es hier nur einen Streit um die Gewich­tung die­ser Teil­stra­te­gien ange­sichts ihrer Chan­cen und Risi­ken gehen kann. Einig sind sich näm­lich alle Autoren im völ­li­gen Ernst­neh­men der Erd­er­wär­mung und der Gren­zen des (bis­he­ri­gen) Wachstums.

So ist für Ralf Fücks eine Rah­men­be­din­gung des Wirt­schaf­tens, dass „Prei­se die öko­lo­gi­sche Wahr­heit sagen müs­sen“. Dazu kann die Poli­tik den Umwelt­ver­brauch durch Steu­ern und Abga­ben ver­teu­ern (und natür­lich umwelt­po­li­tisch kon­tra­pro­duk­ti­ve Sub­ven­tio­nen abbau­en) und dafür die Abga­ben auf den Fak­tor Arbeit redu­zie­ren. Fücks denkt sogar an eine „inter­na­tio­na­le Kli­ma­bank“, die als Hüte­rin der Kli­ma­sta­bi­li­tät „das allei­ni­ge Recht“ hät­te, „CO2-Emis­si­ons­rech­te aus­zu­ge­ben und bei Bedarf zu ver­knap­pen, um einer Über­hit­zung der Erde vorzubeugen“.

Auch Micha­el Braun­gart und Wil­liam McDo­nough kann kei­ne rosa­ro­te Bril­le vor­ge­wor­fen wer­den, da sie sich die Mühe machen durch­zu­buch­sta­bie­ren, wie ver­hin­dert wer­den kann, dass Gebrauchs­ge­gen­stän­de auf der Son­der­müll­de­po­nie ent­sorgt wer­den müs­sen, statt jedes Ele­ment, aus dem sie bestehen, einer wei­te­ren Nut­zung zuzu­füh­ren. Danach wür­de es sich ver­bie­ten, einen Holz­tisch mit Gift­stof­fen her­zu­stel­len oder anschlie­ßend Span­plat­ten mit nicht abbau­ba­ren Kleb­stof­fen. Auch als Papier oder Iso­la­ti­ons­ma­te­ri­al soll­te immer noch die Opti­on der Ver­bren­nung blei­ben, so dass  eine „gesun­de Asche … ihre Nähr­stof­fe an die Erde zurück­gibt“. Das Prin­zip Crad­le to Crad­le haben sie in Koope­ra­ti­on mit renom­mier­ten Fir­men eben­so erfolg­reich auf Stoff­ma­te­ri­al für Möbel­pols­ter ange­wandt wie auch auf Klei­dung, die Farb­her­stel­lung oder der Her­stel­lung eines Stuhls, der als ers­tes Pro­dukt die Crad­le to Crad­le-Zer­ti­fi­zie­rung erhielt. Und ihr Buch ist das ein­zi­ge auf der Welt, das mit gutem Gewis­sen kom­pos­tiert wer­den kann. Und für die zen­tra­len Her­aus­for­de­run­gen der Stadt­ent­wick­lung, der Boden­nut­zung und –ver­bes­se­rung und der Ener­gie­pro­ble­ma­tik haben die Autoren eine Fül­le von krea­ti­ven Ideen zu bie­ten, so z.B. die Nut­zung von 22000 km Eisen­bahn­netz in den USA für Son­nen­kol­lek­to­ren zur dezen­tra­len Stromerzeugung.

Set­zen Fücks, Braun­gart und McDo­nough ganz auf inno­va­ti­ve und intel­li­gen­te Tech­ni­ken, so sind Ange­li­ka Zahrnt und Uwe Schnei­de­wind der Ansicht, dass wir ohne eine Ände­rung unse­rer Ansprü­che und einer Besin­nung dar­auf, was für gutes Leben essen­ti­ell bzw. ent­behr­lich ist, die Kur­ve nicht bekom­men wer­den. Ihre Suf­fi­zi­enz­über­le­gun­gen sind auch anthro­po­lo­gisch und phi­lo­so­phisch-ethisch inter­es­sant: Als Men­schen kön­nen wir immer wie­der neue Bedar­fe ent­wi­ckeln. „Gelun­ge­nes mensch­li­ches Leben besteht gera­de dar­in, nicht jedem Bedarf hin­ter­her­zu­lau­fen.“ (S.15) Dane­ben hat aber eine Suf­fi­zi­enz­po­li­tik den ent­schei­den­den Vor­teil, dass sehr schnell eine CO2-Ver­min­de­rung und Ener­gie­ein­spa­run­gen erzielt wer­den kön­nen, etwa durch ein Tempolimit.

Es gilt, alle drei (Teil-)Strategien wis­sen­schaft­lich, poli­tisch und gesell­schaft­lich krea­tiv und beharr­lich zu ver­fol­gen, damit auch unse­re Kin­der und Enkel­kin­der die Erde als lebens­freund­li­chen Ort erfah­ren können.