Seit jeher scheint es den Menschen etwas unheimlich zu sein, reich beschenkt zu werden.
Sie geben dann gerne etwas zurück an die Gottheit, die eine reiche Ernte beschert hat, oder deren Dienern, den Priestern, denen man etwa den zehnten Teil gibt, oder man gibt etwas weiter an die Armen oder die Flüchtenden.
Das alles jedenfalls, solange man noch ein Gespür dafür hat, dass es ein Glück ist, ein unverdientes Glück, so viel zu haben – sei es an Frieden, sei es an Ausbildung, sei es am Einkommen, sei es an sozialen Beziehungen – und sich also noch nicht einzubilden vermag, dies alles wirklich verdient zu haben und also verdient zu haben.
Bill Gates und Warren Buffet scheinen sich ein Gefühl dafür bewahrt zu haben, dass großer Reichtum mit großer Verantwortung einhergeht. Und sie versuchen, möglichst effizient zu helfen, durch die Entwicklung von Medikamenten für Krankheiten, die vor allem die ärmeren Länder heimsuchen und den Pharmafirmen daher nicht genug Gewinne versprechen oder durch Impfkampagnen. Sie versuchen gleichsam ihren Geschäftssinn und ihr Effizienzstreben, das ihnen gegeben ist, gut einzusetzen.
„Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen“, sagt Jesus schlicht im Lukasevangelium 12,48.
Dass wir uns sogar den Göttern oder dem Schicksal gegenüber dankbar fühlen können, beruht wohl darauf, dass wir als Menschen Spezialisten dafür sind, Geben und Nehmen auszutarieren.
In vielen Religionen wird von den Göttern auf ein Opfer hin dann auch wirklich eine Gegenleistung verlangt.
Der Mensch ist auf Gegenseitigkeit bedacht.
Wenn uns jemand einlädt, dann sind wir darauf bedacht, ihn/sie im Gegenzug einzuladen; sonst ist das schon ein starkes Signal, dass wir doch keinen näheren Kontakt wünschen. Wie du mir, so ich dir. Das gilt im Bösen wie im Guten. Eine Hand wäscht die andere. Do ut des. „Tit for tat.“
Aber das Interessante ist, dass wir nicht unmittelbar kooperieren und beide einen Gewinn haben, sondern im Augenblick die eine etwas zu geben hat und irgendwann mal der andere. Wir sprechen zu Recht vom „Gefühl der Dankbarkeit“ und wir verbinden damit eine größere Dauer als sie bei anderen Gefühlen oft gegeben ist. Das zeigt, dass uns eine natürliche Begabung bei der auch langfristigen gegenseitigen Unterstützung hilft.
Wir sagen „Danke“, wenn wir keine andere Möglichkeit haben, ein Geschenk oder ein Entgegenkommen sofort zu erwidern. So signalisieren wir immerhin: „Ich weiß, dass ich in deine Schuld geraten bin“, es ist mir wichtig, dass du weißt, dass ich weiß, dass ich in deine Schuld geraten bin (und durch mein „Danke“ habe ich sie bereits gemildert und gemindert). Aber, du hast etwas gut bei mir (natürlich nur in der Größenordnung, wie du sie mir erwiesen hast). Nach Kluges Etymologischem Wörterbuch ist der Ausgangspunkt für die heutige Bedeutung von Dank „das Denken an eine empfangene Wohltat“. Die allermeisten Kulturen haben ein Wort für Danke. Christopher R. Hallpike hat allerdings bei den Konso in Äthiopien und auch den Tauade in Papua-Neuguinea keine Entsprechung gefunden, aber bei beiden Völkern sind die Austauschbeziehungen so eng, dass es dieses Signales gar nicht bedarf (vgl. die Einleitung seines Buches Ship of Fools).
Gegenseitigkeit ist eine geniale Erfindung.
Ich habe gerade Äpfel übrig, ich kann dir welche geben. Du hast Möhren übrig, du kannst mir welche geben. Ich habe gerade etwas Zeit, ich kann dir helfen. Du hast gerade Zeit, du kannst mir helfen. Mir geht es gerade gut, ich kann dich trösten. Dir geht es gut, du kannst mich trösten.
Diese Wechselseitigkeit, diese Gegenseitigkeit ist toll, weil wir alle davon etwas haben. Klar, das könnte jemand ausnutzen: nur sich trösten lassen, nur sich Äpfel schenken lassen. Aber wir haben da unsere Mittel: Tratsch etwa eignet sich hervorragend, um solche Egoisten zu isolieren.
Sie könnten nun sagen: in einer Freundschaft achtet man doch nicht auf so ein Gleichgewicht! Ja, das will ich hoffen, dass man auch ein Ungleichgewicht über längere Zeit problemlos trägt. Aber, Sie werden mir vielleicht zustimmen, dass das dann schon nicht mehr so ganz selbstverständlich ist.
Hans Magnus Enzensberger schrieb ein Gedicht „Zurück an den Absender“, das beginnt:
„Vielen Dank für die Wolken.
Vielen Dank für das Wohltemperierte Klavier und, warum nicht, für die warmen Winterstiefel.
Vielen Dank für mein sonderbares Gehirn
und für allerhand andre verborgene Organe, für die Luft, und natürlich für den Bordeaux.[…]
Vielen Dank für die vier Jahreszeiten,[…]
für den Anfang und das Ende
und die paar Minuten dazwischen
inständigen Dank,
meinetwegen für die Wühlmäuse draußen im Garten auch.
Ein schöner Wikipedia-Artikel zum Thema Dankbarkeit
[…] Mehr zum Danken. […]
[…] Dankbarkeit als Garantie für gelingende Gegenseitigkeit […]