Explosive Moderne
Offenbar bestehen die Verlage auf verkaufsfördernden Titeln wie Welt in Aufruhr oder eben: Explosive Moderne.
Im diesem Fall ist dieser Strategie allerdings Erfolg zu wünschen. Denn das Buch der Soziologin Eva Illouz ist eine bedeutsame Analyse der Relevanz von Emotionen im politischen Raum. Sachgemäßer wäre somit allerdings ein so unspektakulärer Titel wie „Politische Gefühle“ gewesen. Denn es geht tatsächlich um ganz ähnliche Phänomene wie sie auch die Philosophin Martha Nussbaum in ihrem bedeutenden Buch „Politische Emotionen“ thematisiert hat. Beide Autorinnen erörtern politisch und gesellschaftlich äußerst relevante Gefühle, nämlich: Angst, Zorn, Scham und Beschämung, Neid und, ja, Liebe.
Dennoch entsteht nie der Eindruck einer Doppelung und Illouz entfaltet die Thematik auf ihre eigene Weise, so dass die Lektüre beider Bücher unbedingt zu empfehlen ist. Schließlich beleuchten sie ein weites Feld, das bisher in der Soziologie – von der Philosophie gar nicht zu reden – unterbelichtet geblieben ist. Illouz hatte bereits die Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2004 dem Thema Gefühle in Zeiten des Kapitalismus gewidmet und begründet, warum die Soziologie sich mit Emotionen beschäftigen sollte, auch wenn sie „bisher ganz gut“ ohne sie „ausgekommen ist“[1].
Illouz gliedert ihr Buch in neun Kapitel und neun Gefühle:
Hoffnung – Enttäuschung – Neid – Zorn – Furcht – Nostalgie – Scham und Stolz – Eifersucht – Liebe.
Während man bei Nussbaum mehr zu den Emotionen des Mitgefühls (compassion) und des Ekels erfährt, bietet Illouz über die „gemeinsamen“ Emotionen hinaus Analysen von Hoffnung, Enttäuschung, Nostalgie und Eifersucht.
Die Arbeiten von Illouz und Nussbaum wirken der Tendenz entgegen, Gefühle als etwas Privates zu betrachten, was Relevanz nur für das Individuum und den Raum seiner persönlichen Beziehungen hat.
Für die politische Auseinandersetzung erwartet(e) man primär einen Austausch von Argumenten, die vielleicht mal von Emotionen begleitet werden, dabei aber nicht selbst zum Thema werden. Inzwischen wissen wir nur zu gut, dass Politiker*innen gut beraten sind, Gefühle wie insbesondere Angst und Zorn in den Blick zu nehmen, da sie Menschen, Gruppen und Parteien erfassen können mit weit reichenden Folgen. Vor allem aber gibt es populistische und geradezu demagogische Politiker*innen, die recht gut auf der Klaviatur menschlicher Gefühle zu spielen verstehen.
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Eva Illouz: Explosive Moderne, Suhrkamp Verlag 2024.
Hoffnung
Eva Illouz setzt ein bei der Emotion der Hoffnung, durch die sie die Moderne auf eine spezifische Weise gekennzeichnet sieht. Die eher vertröstende und die Geduld stärkende religiöse Hoffnung wurde säkularisiert zu einer Hoffnung, die einen Raum der Möglichkeiten ins Bild setzt und damit aktivierende Wirkung hat. Illouz zitiert aus dem Anfang von Blochs Prinzip Hoffnung:
Die Arbeit dieses Affekts verlangt Menschen, die sich ins Werdende tätig hineinwerfen, zu dem sie selber gehören. (Ernst Bloch)[2]
„Selbstermächtigung“ ist angesagt und dazu gehören Begriffe wie »Ansprüche«, »Ehrgeiz«, »Träume«, »Sehnsucht«, »Streben«. Aber es sind eben nicht nur die Einzelnen, die sich ermächtigen, dasselbe wird von der Gesellschaft und Politik erwartet und erhofft:
In ihrem Appell an ein unsichtbares Gut, das noch aussteht, aber durch menschliches Handeln erreichbar ist, bringt die Hoffnung die Politik an die Grenze der Spiritualität und eröffnet eine Politik des Möglichen, die in starkem Gegensatz zu einer Politik der Wut, des Ressentiments oder der Resignation steht. (S. 52)
Wenn sich dem Einzelnen nun Möglichkeiten eröffnen, Chancen der Bildung, des wirtschaftlichen und sozialen Aufstiegs, werden die Emotionen der Enttäuschung, auch des Neides an Virulenz gewinnen. Das meritokratische Versprechen, dass Leistung belohnt werde, birgt eine doppelte Enttäuschungsgefahr: das eigene Vermögen kann sich doch als begrenzt erweisen oder das Versprechen kann sich als hohle Phrase herausstellen, weil keineswegs Chancengleichheit gegeben ist. Enttäuschung und/oder Neid, vielleicht auch Zorn sind die Folge.
Enttäuschung
Nach Illouz „schwankt“ das moderne Selbst „zwischen dem Gefühl endloser Möglichkeiten und dem Eindruck hartnäckiger Beschränktheit, zwischen Hoffnung und Enttäuschung, zwischen Ermächtigung und Selbstbezichtigung“ (S. 93). Das „Unbehagen in der Moderne“ sei „mit der Aufforderung verbunden …, unzufrieden mit unserem Leben zu sein“ (S. 96). Dafür kann Illouz exemplarisch an Madame Bovary erinnern. Sie ist unzufrieden, möchte mehr als das langweilige Leben neben einem Mann, der zufrieden damit ist, in seinen Rollen aufzugehen. Illouz zeigt u. a. mit diesem literarischen Beispiel überzeugend auf, dass die Moderne eine bedrängende emotionale Problemkonstellation hervorgebracht hat. Und natürlich nimmt sie Bezug auf das oft genug bitter enttäuschte Aufstiegsversprechen bzw. die enttäuschte Aufstiegshoffnung, wie sie von Ökonomen und Soziologinnen analysiert wurden.
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Eva Illouz: Gefühle in Zeiten des Kapitalismus, suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2423, Frankfurt 2023 (Originalausgabe 2006)
Neid
Hat sich das Problem der Enttäuschungsanfälligkeit vermutlich parallel zu dem gewachsenen Möglichkeitsraum verschärft, so scheint der Neid eine geradezu archetypische Konstante zu sein. Kain steht dafür ebenso wie Jago in Shakespeares Tragödie Othello. Während Othellos Eifersucht nicht zwangsläufig die Integrität seines moralischen Charakters untergräbt, offenbart Shakespeare Jagos Neid als das größere Übel, „weitaus zerstörerischer als andere Todsünden wie Zorn, Habgier oder Trägheit“ (S. 102). Nun erfährt der Neid in der Moderne aber erste positive Wertungen. Mandeville ist dafür mit seiner Bienenfabel prägend.
„Täglich sehen wir, wie Menschen durch keinen besseren Grundsatz als Neid aus Trägheit und Müßiggang aufgerüttelt und zu Wetteifer und nützlicher Arbeit angestachelt werden; und es wird allgemein angenommen, dass Begehrlichkeit und Stolz die wichtigsten Beförderer von Handel und Gewerbe sind …“ (Bernard Mandeville)[3]
Während Nietzsche (und ähnlich auch Max Scheler) meinte, das Ressentiment, ein umfassender Neid, tarne sich nur als Anspruch auf Gleichheit und Gerechtigkeit, kritisiert Illouz diese Sicht: „Sie nimmt die moralische Kraft des Ideals der Gleichheit nicht ernst genug, zu dem sich nicht nur Menschen bekannten, die es nach Dingen gelüstete, die ihnen fehlten, sondern auch Aristokraten und wohlhabende Bürger, denen es an nichts fehlte.“ (S. 122)
Allerdings können Ressentiments dazu führen, das nicht Erreichte, etwa Bildung, abzuwerten. Die „populistische Wut“ speist sich aus dem „Ressentiment gegenüber Gebildeten und Experten“ (ebd.). Damit bewirkt der Neid eine Verschiebung:
Statt Bildung für alle zu fordern, verhöhnt er Bildung und Fachwissen grundsätzlich. (S. 123)
Diese Analyse von Illouz ist ein schönes Beispiel dafür, wie sozialpsychologisches Wissen zum Verständnis einer politischen Dynamik beitragen kann. Auch eine zweite Form des Neids zeigt sich in unserer politischen Diskussion: Dieser Neid richtet sich „gegen Minderheiten, die durch gezielte Fördermaßnahmen“ profitieren, etwa „ethnische, geschlechtliche und sexuelle Minderheiten“. Danach würden im Beispiel der USA „Frauen, Afroamerikanern, Behinderten und anderen »Minderheiten« ungerechtfertigte »Wohltaten« zufließen.“ (S. 124–125) „Der Neid ist hier das Gegenteil eines Protests gegen Ungleichheit“ (S. 125). Er will im Interesse des Statuserhaltes einen Abstand zu den Außenseitern erhalten wissen. „Diese Art des Neids ist es, die politisch die schädlichsten Formen annimmt.“ (S. 126)
„Somit ist Neid paradox. Er begehrt, war andere besitzen, er hasst, was verachtete andere haben oder erlangen, doch liegt in diesem Hass zugleich die Anerkennung ihrer Überlegenheit und damit der eigenen Unterlegenheit.“ (S. 133)
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Zorn
Aus dem Empfinden von Ungerechtigkeit können sowohl Neid als auch Zorn entspringen. Auch im Blick auf den Zorn erörtert Illouz literarische Motive, die die psychische und die reale Dynamik exemplarisch illustrieren. Kleists Michael Kohlhaas führt den Kampf um Gerechtigkeit zunächst mit legalen, dann mit kriminellen Mitteln. Als er aufs Schafott geführt wird und die Mitteilung vom Erfolg seines Prozesses erhält, ist er „erfreut, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde, und ergibt sich in seine Hinrichtung.“ (S. 145)
Illouz sieht sich erinnert an den „Gemüsehändler Tarek al-Tayeb Mohamed Bouazizi“ der im Dezember 2010 den sogen. Arabischen Frühling ausgelöst hat (S. 145). „Gerechter Zorn“ ist opferbereit, der eigene Vorteil muss nicht im Zentrum stehen.
Zorn kann sich schnell ausbreiten, „weil er die Wahrnehmung der Verletzung eines Moralkodexes in der Ausübung der öffentlichen Angelegenheiten und im Gesellschaftsvertrag ausdrückt, der die Bürgerinnen und Bürger an die Institutionen bindet, welche ihr Leben bestimmen.“ (S. 146–147) Der „Übergang von einem persönlichen Groll zu einem gruppenspezifischen Gefühl“ kann den Zorn in ein „radikales Aktionsprogramm“ verwandeln. Zorn stößt nicht unbedingt ab, sondern kann leicht als berechtigte Empörung gedeutet (oder missdeutet) werden und dadurch Solidaritätseffekte bewirken.
„Weil Zorn eine eminent politische Emotion ist und andere zu mobilisieren vermag, hat eine Vielzahl gesellschaftlicher und politischer Gruppierungen ihre moralischen Ansprüche um Gefühle des Zorns organisiert …“ (S. 166). „Tatsächlich hat sich Empörung zu einem Zeichen von Moralität entwickelt.“ (S. 168)
Überraschend mag die Anmerkung wirken, dass aus Wut und Empörung „manchmal Terrorismus entsteht“, dies „nichtsdestoweniger von einem moralischen Kern“ ausgehe (S. 150). Illouz widerspricht damit offenkundig der Vorstellung eines radikal Bösen, das nicht weiter „erklärbar“ oder „verstehbar“ wäre. Aber tatsächlich sind die Emotionen von Hoffnung, Enttäuschung, Neid und Zorn „auf explosive Weise miteinander verflochten“, wobei „Zorn unter allen negativen Emotionen der stärkste Antrieb für die Wählerschaft populistischer Parteien ist“ (S. 156f).
Angst
Eine ähnliche politische Relevanz hat aber auch die Angst.
Es lässt sich eine Fülle von Beispielen finden, in denen Herrschende bzw. Regierende Bedrohungsszenarien entworfen haben, um militärische Interventionen oder gar Kriege zu rechtfertigen. So übertrieb die Regierung von George W. Busch „die von Saddam Husseins irakischem Regime ausgehende Gefahr erheblich, als sie behauptete, der Irak verfüge über chemische und biologische Waffen, um ihren Angriff zu begründen.“ (S. 191) Zudem stellte sie einen Zusammenhang zwischen Saddam Hussein und den Terroranschlägen vom 11. September 2001 her. Ähnliches gilt für Putins Rechtfertigung des Tschetschenien-Krieges durch die angeblich von Tschetschenen begangenen Bombenanschläge von 1999, und Illouz nennt weitere Beispiele. Aber auch „Überwachungsmaßnahmen oder Gesetze, die bürgerliche Freiheiten beschneiden“, werden „typischerweise … mit äußeren statt mit inneren Bedrohungen und Befürchtungen begründet“ (S. 192). Angst wird heute aber nicht nur von Regierenden instrumentalisiert, sie wird auch von vielen Gruppen auf den sozialen Medien als fruchtbares „Feld der Angstmacherei“ genutzt (S. 194), um Aufmerksamkeit zu wecken und mit einer Botschaft gehört zu werden. Illouz meint sogar, „dass liberale Gesellschaften die Furcht … in eine umfassende Gefühlsstruktur verwandelt haben“ (S. 194). Illouz weist zurecht darauf hin, dass „Furcht eine starke biologische Grundlage aufweist“ und damit über das Denken wie auch über andere Gefühle dominieren kann. Zudem zitiert sie Studien von Sozialpsychologen, dass eine Gruppe, die sich starken Bedrohungen ausgesetzt sieht, drei Merkmale aufweist: „zunehmender Respekt für Gruppenanführer, zunehmende Idealisierung von Binnenwerten der Gruppe und zunehmende Sanktionen für Abweichungen von gruppeneigenen Normen.“[4]
Von allen drei Folgen von Angst profitieren populistische Parteien, die „schamlos und unmittelbar an vorhandene Ängste“ appellieren (S. 203).
Von den vielen Fassetten, die Illouz bei der Thematisierung von Nostalgie anspricht, sei hier nur eine herausgegriffen, die an das Thema Zorn und Populismus anschließt: Populisten erwecken das Gefühl, sie könnten eine vergangene Zeit wiederbringen. „Make America Great Again“. Ganz ähnlich wie Trump erweckt der rechtsextreme Journalist Éric Zemmour in Frankreich nostalgische Gefühle und Erinnerungen an eine starke Nation. Damit wird das bittersüße Gefühl des Verlusts und der erträumten „Rückgewinnung“ in Einem erweckt. Als ließen sich Modernisierungsprozesse rückgängig machen.
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Scham und Beschämung
Auch zu Scham und Beschämung erläutert Illouz aussagekräftige literarische Beispiele, soziologische Analysen und philosophische Reflexionen (u.a. Sartre). Bemerkenswert ist sodann die von ihr zitierte Feststellung von Gabriel Bach, dem stellvertretenden Chefankläger im Eichmann-Prozess, dass bis zu diesem Prozess die jungen Israelis „von den Neuankömmlingen aus den Lagern nicht über die Gräuel [hätten] hören wollen“, „weil die Jungen … sich geschämt hätten“. Das muss man wohl so verstehen, dass sie sich für die Ohnmacht der Verfolgten schämten. Gleich darauf führt Illouz eine Studie an, die darstellt, wie „die Palästinenser unter israelischer Militärkontrolle und ‑herrschaft mit einem anhaltenden Gefühl von Scham“ leben (S. 262). Scham und Beschämung sind aus dem Bewusstsein insbesondere des politischen Diskurses weitgehend verdrängt. Es hängt aber viel davon ab, dass die destruktive Kraft der Demütigung gebrochen wird. Unter Umständen lässt sich Scham in Stolz verwandeln; die #MeToo-Bewegung oder die Schwulenbewegung der 1980er Jahre könnten als Beispiele dienen: „vom Versteck auf die Straße, von schambehaftet zu öffentlich und stolz.“ (S. 275) Stolz sollte aber nicht „auf Dauer gestellt“ werden und darf nicht „zur tragenden Säule unserer Identität werden“ (S. 284).
Eifersucht
Mit der Emotion Eifersucht (und Ausführungen über Prousts „Suche nach der verlorenen Zeit“) scheint sich Illouz von der politischen Relevanz zu entfernen, doch ist letztlich das Gegenteil der Fall, denn sie thematisiert die Verbundenheit von Eifersucht und Monogamie bzw. Patriarchat. Sie scheint der These der zuzuneigen, dass Eifersucht „sich … mit dem Ideal der monogamen Ehe und mit der Moderne selbst etabliert“ haben könnte (S. 296). Sie beschreibt die männlichen Besitzansprüche, die bei Gefährdung auch mit Gewalt durchgesetzt werden und sei es durch Mord. Wenn die Gewalt gegen die Partnerin in „hot blood“ – aus Eifersucht – begangen wurde, konnten dies zur Reduzierung des Strafmaßes führen. Eine Tötung wurde dann statt als Mord als Totschlag geahndet. Das Kapitel abschließend unterscheidet Illouz zwischen einer Eifersucht, die einen Besitzanspruch einschließt, und eine Eifersucht, die die Freiheit des anderen anerkennt, so schmerzhaft dies sein mag. Hier ist Eva Illouz nahe daran anzuerkennen, dass die Disposition zur Eifersucht eine menschliche Universalie darstellt, die allerdings unter patriarchalen Bedingungen eine destruktive Kraft entfaltet.
Liebe
Überraschenderweise schließt Illouz die Reihe der Emotionen mit der Liebe ab, ein schillerndes Wort und es wäre hier und da hilfreich gewesen, den Begriff zu spezifizieren. Illouz tut dies aber hauptsächlich im Blick auf die „romantische Liebe“, die oft genug mit den gesellschaftlichen Normen hinsichtlich Beziehung, Ehe und Familie in eine starke Spannung geraten ist. Keine Kultur habe „die romantische Liebe so stark repräsentiert und gefeiert wie die der westlichen Moderne“. Sie weist zwar selbst auf die Liebeslyrik von Sappho um 600 v. u. Z. hin, scheint aber doch die romantische Liebe für ein Kennzeichen der Moderne zu halten. Verständlich, dass eine Soziologin, die sich – bemerkenswert genug – mit Emotionen beschäftigt, doch die gesellschaftlichen Prägungen dieser Emotionen betont. Und gerade die romantische Liebe haben auch Ethnologen lange für „ein typisch westliches Kulturprodukt“ gehalten. Wer von Verliebtheit erfasst ist – und dies ist im Kern doch wohl mit romantischer Liebe gemeint – wird sich aber schwer tun, seine Gefühle als sozial konstruiert zu empfinden. Und inzwischen haben Anthropologen in nahezu allen untersuchten Kulturen Verliebtheit bzw. romantische Liebe nachweisen können. Der Ethnologe Christoph Antweiler hat dieser Frage ein Kapitel gewidmet in seinem Buch Heimat Mensch. Was uns alle verbindet.

Eva Illouz: Explosive Moderne, Suhrkamp Verlag 2024.
[1] Eva Illouz: Gefühle in Zeiten des Kapitalismus, suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2423, Frankfurt 2023, S. 9 (Originalausgabe Suhrkamp Verlag 2006).
[2] Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung, suhrkamp taschenbuch wissenschaft 554, Frankfurt 1985, S. 1 (Originalausgabe Suhrkamp Verlag 1959).
[3] Bernard Mandeville: Free Thoughts on Religion, the Church, and National Happiness, London 1720, S. 12, zit. nach Illouz S. 102–103.
[4] Es handelt sich um ein Zitat aus dem Buch von Clark McCauley und Sophia Moskalenko: Friction. How Radicalization Happens to Them and Us, Oxford, New York 2011, S. 118, zit. nach Illouz S. 198.
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